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Die Juden von GörlitzBeiträge zur jüdischen Geschichte der Stadt Görlitz
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Herausgeber: Markus Bauer und Siegfried Hoche ISBN 978-3-944560-09-0
192, fester Einband, 17 x 24 cm Erscheinungsjahr 1.9.2014
In der Pogromnacht vor 75 Jahren, am 9. November 1938, endete das Leben der jüdischen Gemeinde in Görlitz. Damit riss eine Entwicklung jäh ab, die freilich auch in den Jahrzehnten und Jahrhunderten vor 1933 von heftigen Schwankungen, von Höhen und Tiefen geprägt gewesen war. Eine schon im späten 13. Jahrhundert wohl organisierte und allem Anschein nach auch wohl gelittene jüdische Gemeinde des Mittelalters ging in den Pogromen und Vertreibungen des 14. Jahrhunderts unter. In der frühen Neuzeit spielten trotz Niederlassungsverbot jüdische Kaufleute und Händler im Wirtschaftsleben der Stadt eine bedeutsame Rolle. Doch erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts konnten sich einige jüdische Familien wieder in Görlitz ansiedeln; eine neue Gemeinde entstand. Innerhalb zweier Generationen gelang der kleinen Gruppe ein bemerkenswerter gesellschaftlicher Aufstieg. Höhepunkt der jüdischen Geschichte von Görlitz war zweifellos der 7. März 1911, der Tag, an dem die Neue Synagoge geweiht wurde. Damals, so schien es, machte die Mehrheitsgesellschaft ihren Frieden mit der lange ungeliebten Minderheit und verbeugte sich vor ihren Leistungen und Verdiensten für die Stadt. Bald danach setzte der Niedergang ein, bestimmt durch Krieg, Wirtschaftskrise, Abwanderung und zunehmende gesellschaftlicher Ausgrenzung, die sich nach 1933 verschärfte zu Boykott, Entrechtung, Gewalt und Mord. Juden spielten in der städtischen Gesellschaft von Görlitz vor 1933 eine viel größere Rolle, als es ihr geringer Anteil an der Gesamtbevölkerung, selten mehr als 0,5 %, erwarten ließe. Als erfolgreiche Unternehmer und Geschäftsleute, als Rechtsanwälte und Ärzte, als Künstler und Schriftsteller, als Mäzene der Kunst und des Museumswesens, ausgezeichnet durch hohes Bildungsniveau und bürgerschaftliches Engagement, bildeten sie den Kernbestand des Görlitzer Bürgertums. Sie waren patriotisch, fortschrittsgläubig, politisch liberal, modern in ihrem Lebensstil, ihrem Kunst- und Literaturgeschmack. Die jüdische Gemeinde, die sich in der Neuen Synagoge von 1911 versammelte, einem bedeutenden Beispiel für die Reformarchitektur im frühen 20. Jahrhundert, war ein Kristallisationspunkt der sich entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft in Görlitz. In der NS-Diktatur wurde die jüdische Gemeinde vernichtet, wurden ihre Angehörigen ins Exil getrieben, viele ermordet. In der DDR-Zeit herrschte überwiegend Desinteresse und Ignoranz gegenüber diesem Teil der städtischen Geschichte. Wer sich dem Thema zuwandte, wissenschaftliches oder gar gesellschaftspolitisches Interesse daran zu erkennen gab, stieß auf bürokratische Hemmnisse, auf Misstrauen und Argwohn der Staatsorgane. Die reichen Bestände im Görlitzer Ratsarchiv blieben weitgehend ungenutzt. Erst seit der politischen Wende 1989 erwachte ein Interesse an der jüdischen Geschichte von Görlitz, das sich in etlichen Veröffentlichungen zu einzelnen Aspekten niederschlug. Dennoch ist auch heute noch – trotz der Bedeutung für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der Stadt seit 1850 – die Geschichte der Görlitzer Juden schlecht erforscht. Derzeit sind die Voraussetzungen nicht gegeben, eine umfassende, konsistente Gesamtdarstellung des Themas vorzunehmen. Die hier vorliegende Aufsatzsammlung hat sich daher zum Ziel gesetzt, für zentrale Themen den Forschungsstand darzustellen, einen Überblick über die Quellenlage zu gewähren und einige wichtige Quellen neu zu erschließen und auszuwerten. (Aus dem Vorwort der Herausgeber)